Die Beziehungen zwischen Europa sowie Nord- und Südamerika erleben derzeit einen drastischen Wandel. Umso bedeutsamer ist es, die Regionen dies- und jenseits des Atlantiks in ihren komplexen Verflechtungen zu erforschen. Das ist das Ziel des interdisziplinären Leibniz-WissenschaftsCampus „Europa und Amerika in der modernen Welt“.
Was ist ein WissenschaftsCampus?
WissenschaftsCampi sind eine Initiative der Leibniz-Gemeinschaft, die es zum Ziel hat, die Zusammenarbeit zwischen Leibniz-Instituten und Universitäten an bestimmten Standorten zu fördern und so deren Sichtbarkeit zu stärken und Innovation in Forschung und Transfer voranzutreiben.
Der Leibniz-WissenschaftsCampus Europa und Amerika ist ein gemeinsames Forschungsprojekt des Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung (IOS) und der Universität Regensburg, von der auch mehrere regionalwissenschaftliche Einrichtungen beteiligt sind. Der Campus wird durch eine Förderung der Leibniz-Gemeinschaft unterstützt. Er fördert die Zusammenarbeit zwischen dem Leibniz-Institut und der Universität, indem er ein sichtbares Forschungscluster und eine interdisziplinäre Plattform für wissenschaftlichen Austausch im Bereich der Area Studies schafft. Das Projekt wurde im September 2019 ins Leben gerufen und geht ab Oktober 2024 in eine zweite, vierjährige Förderphase.
Unser Projekt
Die Beziehungen zwischen Europa und Amerika verändern sich derzeit dramatisch. Gleichzeitig ist es offensichtlich, dass diese kontinentalen Einheiten in pluralen Formen existieren und existiert haben, sowohl fragmentiert als auch verbunden entlang verschiedener geografischer, kultureller, sozialer, ökonomischer und politischer Grenzen. Der WissenschaftsCampus betrachtet diese Veränderungen in der Vergangenheit und Gegenwart als Indikatoren für Reibungen der Globalität. Diese Reibungen schaffen Kräfte, die die Beziehungen zwischen verschiedenen Teilen Europas und Amerikas verändern. Der WissenschaftsCampus erforscht sowohl die Makroebene der „europäisch-amerikanischen“ Beziehungen als auch deren Effekte auf kleinere Regionen und soziokulturelle Schichten; er verbindet die globale Gegenwart mit der historischen Entwicklung der Globalisierung.
Dieses Konzept der Reibungen inspiriert auch die Perspektive des „Frictions“ Blog-Journals. Das Hybrid aus Diskussionsforum und Journal mit Peer-Review-Verfahren wird als Open-Access-Publikation veröffentlicht.
Einblicke in die Forschung in Regensburg und in Zusammenarbeit mit unseren weltweiten Partnern bietet die Online Ringvorlesung: European-American Entanglements in the Modern World. Die Reihe ist auf der Virtuellen Hochschule Bayern (vhb) verfügbar und wurde in Kooperation mit dem Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsdidaktik (ZHW) der Universität Regensburg produziert. Thematisch umfasst sie aktuelle und historische Migration, Umweltfragen, die Geschichte des Kalten Krieges und dessen politische Nachwirkungen, die Unabhängigkeitsbewegung Québecs sowie postkoloniale sprachliche und literarische Verflechtungen der frankophonen Welt und transatlantische Zirkulationen der Populärkultur. Sie ist öffentlich zugänglich und kann weltweit im Blended Learning eingesetzt werden.
Schwerpunkte
Die Aktivitäten des WissenschaftsCampus konzentrieren sich auf fünf thematische interdisziplinäre Forschungsmodule, die von Spezialist*innen aus verschiedenen Disziplinen koordiniert werden. Dabei arbeiten sie auch mit teilnehmenden Promovierenden zusammen. Diese Schwerpunkte kennzeichnen Bereiche, in denen die Reibungen der Globalität besonders offensichtlich sind. So werden wesentliche Fachgebiete für die Erforschung der Beziehungen verschiedener regionaler Konfigurationen von Europa und Amerika ausgewiesen. Das fünfte Modul dient der kritischen Reflexion über Entwicklungen im Bereich der Area Studies.
- Transatlantische politische Transformationen | (Un)Sicherheit und Souveränität
- Kulturen und Hierarchien der Übersetzung | Wissen und Kulturen übersetzen
- Handel und Institutionen | Ungleichmäßige Wirtschaftsströme
- Verheimatlichung | Flüchtlingsweltgestaltung
- Hin zu multipolaren und multiskalaren Area Studies | AreasLab: Auf dem Weg zu erweiterten Area Studies
Die Module werden von Fakultätsmitgliedern koordiniert. In enger Zusammenarbeit mit Promovierenden, Partnerinstitutionen und Visiting Fellows konzipieren sie Ideen und Aktivitäten für die Module.
Die Arbeit der Module wird durch zwei vom ScienceCampus geförderte Nachwuchsforschungsnetzwerke ergänzt.Margins of Memory startete 2025, ein weiteres Netzwerk zur rechtlichen Konstruktion von Grenzen wird ab 2026 für zwei Jahre laufen.
Forschung und Wissenstransfer
Der WissenschaftsCampus ist darauf ausgerichtet, neue Forschung zu produzieren und diese mit Wissenschaftler*innen, Entscheidungsträger*innen und der Öffentlichkeit zu teilen. Seine wissenschaftliche Arbeit greift eine multipolare Area Studies-Perspektive auf, die Perspektiven mehrerer Regionen und Standpunkte kombiniert, um die Beziehung zwischen dem Lokalen und der Globalität zu untersuchen. Komplementiert wird diese Perspektive durch einen multiskalaren Area Studies-Ansatz, der die Schnittpunkte der verschiedenen Ebenen, Zeitlichkeiten und Geografien der Interaktion und Kommunikation widerspiegelt. Die Probleme und das Potenzial einer globalen und komplexen Welt können durch die vielfältigen Perspektiven, die vom WissenschaftsCampus in den Blick genommen werden, besser adressiert werden. Durch die Bündelung von fachlicher Expertise und epistemischen Rahmenkonzepten verschiedener regional spezialisierter Area Studies innerhalb des Projekts wird dieser Ansatz zusätzlich gefördert. So werden neue komparative Blickwinkel auf soziale und kulturelle Prozesse eröffnet, die bei den miteinander verbundenen Entwicklungen in den multiplen Regionen Europas und Amerikas – Ost-, Südost-, Mittel- und Westeuropa sowie Nord- und Südamerika – auffallen.
Das „Frictions” Blog-Journal entwickelt sich zu einer bedeutenden Plattform für wissenschaftliche Beiträge und für die Kommunikation mit politischen Entscheidungsträger*innen und der breiten Öffentlichkeit. Es dient der Wissensverbreitung und der Förderung von Debatten über die Beziehungen zwischen Europa und Amerika sowie deren Platz in der Gegenwart.
Die Ringvorlesung dient zudem einem bereichsübergreifenden Ziel: Führende Wissenschaftler*innen in Regensburg und darüber hinaus mit Fakultätsmitgliedern und der Öffentlichkeit vor Ort ins Gespräch zu bringen. Sie ist auch Teil der Bemühungen, die Area Studies noch besser in das breite Lehrangebot der UR zu integrieren.
Der Preis für herausragende Masterarbeiten in den Area Studies ist mittlerweile ein fester Bestandteil der Regensburger Hochschullandschaft und prämiert Studierende, die an der UR hervorragende Abschlussarbeiten verfasst haben.
Unsere Partnereinrichtungen
Ein wesentliches Merkmal des Campus ist sein weitreichendes internationales Partnernetzwerk, das sich über Nord- und Südamerika sowie Ost- und Westeuropa erstreckt. Wir vergeben Incoming- und Outgoing-Stipendien mit Bewerbungsfristen jeweils zum 31. Mai und 30. November für beide Programme sowie ein Gastprofessurenprogramm. Informationen zu unseren Gastwissenschaftler*innen finden Sie hier.
Das IOS und die Universität Regensburg sind die beiden federführend am WissenschaftsCampus beteiligten Einrichtungen. Die Universität Regensburg hat eine Vielzahl an bereits existierenden Area Studies-Initiativen mit etablierter Expertise und Kompetenzen in der Theorie und den Methoden der Area Studies. Mehrere dieser Initiativen arbeiten eng mit dem WissenschaftsCampus zusammen.
- Department für Interdisziplinäre und Multiskalare Area Studies (DIMAS, UR)
- Regensburg European American Forum (REAF)
- Forschungszentrum Spanien – El Centro de Estudios Hispánicos
- Graduiertenschule für Ost- und Südosteuropastudien (GS OSES UR)
- Denkraum Ukraine (UR)
- seeFField: A small but fertile field: strengthening Southeast European Studies in Regensburg – Plattform der VolkswagenStiftung